Studienarbeit (2019)

 

 

 

Geschichte

Der ehemalige Friedhof an der Rudolf-Reusch-Straße liegt unweit der Frankfurter Allee an der Grenze zum Stadtteil Friedrichshain. Die heute nicht mehr als Friedhof genutzte Fläche im Stadtteil Berlin-Lichtenberg wurde im Jahr 1904 zur Entlastung der umliegenden Friedhöfe in der Gotlinde- und Möllendorfstraße angelegt und ab den 1920er Jahren als Friedhof genutzt. Hier fanden vor Allem, aber nicht ausschließlich, Urnenbestattungen statt. Als Friedhof wird die Fläche seit 1971 nicht mehr genutzt und in den 80er Jahren zu einer öffentlichen Grünfläche umgewidmet. Nach seiner Stillegung wurde der Friedhof der Sukzession überlassen. Die Flächen wurden nicht beräumt - so findet man auch heute noch diverse Grabsteine im Dickicht der Anlage. Auch ehemalige Wegestrukturen sind unter einer durch Sukzession entstandenen Schicht von 10 bis 15 cm noch vorhanden. Lediglich die historische Mittelachse wurde über die Jahre erhalten und teilweise neu gestaltet.

Heute ist die Fläche vor Allem Wegeverbindung zwischen der Rudolf-Reusch-Straße und der Ruschestraße, die in der städtebaulichen Rahmenplanung als öffentliche Grünverbindung gekennzeichnet ist. Entstanden ist über die letzten 40 Jahre ein verwunschen anmutender Raum, der trotz seiner Entwidmung als Friedhof noch immer eine besinnliche, ruhige Atmosphäre erzeugt.

 

Städtebauliche Einbindung

Im Jahr 2019 wird der angrenzende Rathauspark von Marcel Adam Landschaftsarchitekten umgestaltet. Der Park wird durch mehr Nutzungsangebote zu einem Ort entwickelt, welcher zur körperlichen Aktion animiert. Es wird einen neuen Spielplatz geben, Angebote für Urban Gardening sowie Freiflächen zum Austoben. Demgegenüber steht der Friedhof als kontemplativer Ort der Besinnung. Hier soll man die Ruhe und Stille genießen können, Rückzugsorte vom stressigen Stadtleben finden und sich voll und ganz seinen Gedanken hingeben.

Trotz oder gerade wegen dieser Differenziertheit sind diese beiden Orte als ein Parkensemble zu betrachten. Verknüpft werden die beiden Parkteile durch einen Quartiersplatz als Ort der Kommunikation. Die derzeitige Situation im Übergangsbereich zwischen Rathauspark und ehem. Friedhof ist geprägt von zwei stark beparkten Straßen. Der Sraßenquerschnitt reicht dabei nicht aus um einen flüssigen zweispurigen PKW-Verkehr zu gewährleisten, sodass es stündlich zu Begegnungskonflikten im Straßenverkehr kommt. Durch die Verlegung der Parkplätze in die Gotlindestraße entsteht Potential für einen Quartiersplatz, welcher Raum schafft für Angebote wie Marktflächen, Veranstaltungsflächen oder Flächen für informelles Spiel. Der Verkehr würde in diesem Szenario über die Gotlinde- und Ruschestraße umgeleitet. Einfahrende PKW’s aus der Rudolf-Reusch-Straße würden über die Rathausstraße geleitet, sodass der Quartiersplatz vom motorisierten Verkehr befreit werden könnte. Die öffentliche Wegeverbindung Richtung Lichtenberg Ost wird nicht länger durch die Mittelachse des Urnenfriedhofs geführt, sondern über den Bleckmannweg bzw. den Hönerweg. Beide Wege sind barrierefrei ausgestaltet und weisen eine breite von ca. 3.50m auf, sodass Fahrradfahrern und Fußgängern genügend Platz für den Begegnungsverkehr zur Verfügung steht.

 

Gestaltung des ehemaligen Urnenfriedhofs

Der Charakter als ereignisloser Durchgang wird mit einem Wegekonzept ersetzt welche den Bürger durch alle Facetten dieses spannungsvollen Ortes führt. Beginnend an der westlichen Kante der Fläche verknüpft eine Sitzstufenanlage den topografisch höher gelegenen Friedhof mit dem Quartiersplatz. Die an der Mittelachse gelegenen Haupteingänge bleiben erhalten und werden durch barrierefreie Rampen ergänzt um ein müheloses Betreten der Fläche für alle Bürger zu gewährleisten. Die den Friedhof einfassende Mauer bleibt ebenfalls erhalten und wird punktuell durchbrochen um eine Zuwegung für Anwohner des Bleckmannwegs und Hönerwegs zu generieren. Anknüpfend an den Eingang finden sich auf beiden Seiten jeweils eine Platzsituation von welcher aus die Entdeckung des Ortes beginnt. Bezugnehmend auf die Nutzung des Areals als letzte Begräbnisstätte verstorbener Menschen dient das Bild einer Baumscheibe als Symbol für das Verhältnis zwischen Leben und Tod. Das zunächst bildliche, von den Lebensringen des Baumes abgeleitete, Wegekonzept wird unter Berücksichtigung der Baumstandorte und historischen Relikte zu einem sinnigen System entwickelt, welches die Aufgabe erfüllt die Relikte des Ortes in den Fokus zu rücken. So wird zum Beispiel der einstige Brunnen reaktiviert, das ehemalige Rondell im Osten der Fläche mit einer Staudenpflanzung neu interpretiert oder Gräberstrukturen durch Heckenpflanzungen wieder sichtbar gemacht. 

In den Kreuzungspunkten der einzelnen Rundwege verdichten sich Besucherströme, sodass an diesen Knotenpunkten Sitzgelegenheiten, Arbeitsgelegenheiten oder Informationssteelen, welche über die Geschichte und die Vegetation des Ortes informieren, angeboten werden. Diese reduzierte Auswahl an Nutzungsangeboten unterstreicht den intimen, in sich gekehrten Charakter des ehemaligen Friedhofs. Der Mensch kann sich hier ganz auf den Ort ein- und seine Gedanken schweifen lassen.

 

Der Entwurf im Detail

Der Entwurf besticht durch eine einfache Materialität und Konstruktion. Stufen und Rampenanlagen werden aus Beton hergestellt. Der Rundweg wird in gefärbtem Asphalt ausgeführt. Das hat den Vorteil, dass dieser auch für in ihrer Mobilität eingeschränkte Personen leicht zu begehen ist. In weitestgehend wurzelfreien Bereichen wird der Weg durch einfache Stahlkanten eingefasst. In stark durchwurzelten Bereichen dient eine Stahlwanne als Tragwerk für den Asphalt. Auf diese Weise wird das Wurzelwerk der teilweise sehr alten Bestandsbäume geschützt.

Auch die Sitz-, Arbeits- und Informationselemente werden aus Beton hergestellt und folgen ebenfalls dem Gestaltungsprinzip des Baumes. Die in ihrer Formgebung einfachen Elemente bekommen durch ihre Schalung in Holzoptik eine besondere Prägung. Auf diese Weise entsteht ein einheitliches Gestaltungsbild, welches den besonderen von wilder Vegetation geprägten Charakter des Ortes unterstreicht.